Diskussion zur Stellungnahme des Rates der EKD zur Neuregelung des Abtreibungsverbots

Zur Zeit wird in der Ökumene über die aktuelle Stellungnahme der Evangelischen Kirche rege diskutiert. Das Magazin „Jesus.de“ gibt HIER einen kleinen Überblick zum Thema. Von katholischer Seite bedauert der Kölner Sozialethiker Elmar Nass, dass eine „ökumenische Chance“ verpasst wird, gemeinsam ein christliches Menschenbild in der Gesellschaft zu postulieren. An dieser Diskussion hat sich mit Pastor Albrecht Weißbach nun eine freikirchliche Stimme mit dem folgenden Kommentar beteiligt:

 Kompass missachtet

Von Pastor Albrecht Weißbach, Geschäftsführer von Kaleb e.V.

Man reibt sich die Augen über die Stellungnahme der Diakonie Deutschland zum § 218. „Abtreibungen sollten spätestens ab der 22. Woche strafrechtlich geregelt und nur noch in Ausnahmefällen verboten werden“, meldet IDEA am 17.10.23.

Wie kommt der größte evangelische Arbeitgeber für die Hilfe, Förderung und Pflege von Menschen zu einem so weitreichenden
Liberalisierungsvorschlag? Zugrunde liegt die Erkenntnis, dass das bisher geltende Abtreibungsverbot „einer unausgesprochenen religiösen Setzung“ entspreche. Das ist zweifellos eine richtige Entdeckung: die unbedingte Menschenwürde, wie unser deutsches Grundgesetz sie artikuliert, entspringt aus dem christlichen Menschenbild. Niemand bestreitet dies, sogar die aggressiven Gegendemonstranten beim „Marsch für das Leben“ skandieren schon seit Jahren den Satz „Hätt ́ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben.“ Also ohne Jesus Christus kein konsequenter Lebensschutz von Anfang an. Soweit nichts Neues.

Warum aber nun ein in Deutschland anerkanntes Werk der Nächstenliebe daraus schlussfolgert, die aus dieser religiösen Setzung resultierende Gesetzgebung könne „nicht Teil der Grundlage des Miteinanders in einer pluralistischen Gesellschaft sein“, erscheint mir geradezu als Verleugnung des eigenen Glaubens.
Denn wenn aus dem Glauben gute ethische Konsequenzen folgen, dann sind diese doch für alle Menschen und die ganze Gesellschaft hilfreich, selbst wenn viele die religiöse Basis nicht bejahen. Freilich bleibt dann die Aufgabe, den Sinn der ethischen Maßstäbe auch den Nichtchristen überzeugend darzulegen und dazu „weltlich von Gott“ zu reden, wie es schon Dietrich Bonhoeffer forderte. Angesichts der fortgeschrittenen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Humanmedizin und im speziellen der Embryologie wäre das nicht schwer.
Denn die Einzigartigkeit und Genialität einer befruchteten Eizelle als Anfang unseres Menschseins und unserer individuellen Personalität hat die Genetik in den letzten Jahren überzeugend dargelegt. Es ließe sich daraus ganz einfach schlussfolgern: Weil ich und du uns bereits seit dem Tag Null als Menschen entwickeln dürfen, als unsere väterliche Samenzelle mit der mütterlichen Eizelle verschmolz, soll auch jedes neugezeugte Individuum diese Möglichkeit erhalten. Leider nimmt aber die Diakonie Deutschland keinen Bezug auf diese wissenschaftlichen Fakten, sondern meint, dass eine Neuregelung der Abtreibung „aufgrund der gesellschaftlichen und rechtstheoretischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre geboten“ sei, denn das Verfassungsgericht habe in der letzten Zeit das Gewicht der Selbstbestimmung in besonderer Weise betont. Wie schon in der Stellungnahme der EKD wird damit die menschliche Würde nicht mehr an das geschenkte geschöpfliche Dasein geknüpft, sondern an die eigenverantwortete Selbstbestimmung. Dass dies juristisch gesehen eine hochproblematische Akzentverschiebung ist, sollte auch atheistisch verstehbar sein, da mit der
Betonung der Selbstbestimmung die Dominanz der Mächtigen über die Schwachen bestätigt wird und die Rechte der Schwächsten – der Ungeborenen – aufgegeben werden, da sie keine Selbstbestimmung einfordern können.

Für den Christen ist diese Akzentverschiebung noch erschreckender, denn wenn Selbstbestimmung über geschöpfliche Würde triumphiert, so wird die
Entscheidung Adams wiederholt, der sich mit Eva von der Schlange verführen ließ, statt des geschenkten Paradieses selbst zu bestimmen, was für ihn gut und böse sei. Darum möchte ich es allen Menschen, aber insbesondere den Christen in Erinnerung rufen: „Vergiss es nie, dass du lebst, war keine eigene Idee und dass du atmest, kein Entschluss von dir. Vergiss es nie, dass du lebst war eines anderen Idee und dass du atmest, sein Geschenk an dich.“ (Jürgen Werth). Lebenswürde ist weder das Ergebnis einer Leistung noch eine Zuerkennung durch andere, sie wohnt jedem Menschen inne, und zwar von Anfang an. Der bestehende §218 ist die juristisch ausgeformte Konsequenz. Wer auf ihn verzichten will, verabschiedet sich von einem Grundpfeiler unseres Grundgesetzes.

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