Die Kultur der Ehrlichkeit bei John Wesley

Wesleys Weg der Rechenschaft – und wir heute

 „Wir müssen uns vor jener falschen Demut hüten, die uns zur Entschuldigung unseres mutwilligen Ungehorsams sagen lehrt: O, ich kann nichts tun! und wir damit die Hände in den Schoß legen … Du kannst durch Christus, der dich stärkt, manches tun. Blase den Funken der Gnade wieder an, welcher in dir ist, und er wird dir mehr Gnade verleihen.“

John Wesley in „Schaffen unserer Seligkeit“ zu Phil. 2,12

Auf dieser Seite ist von einem Hauskreismodell der damaligen Zeit berichtet, das auf ehrliche Rechenschaft gegenüber Geschwistern abzielt. Wenn man es liest, kommt der Gedanke: „Das geht gar nicht … das verletzt ja die Privatsphäre“. Wenn man aber länger darüber nachdenkt und die Bibel daneben legt – und es vielleicht einmal mutig in einem methodischen Gewand der heutigen Zeit ausprobiert, kann man auch zum Gedanken kommen: Was habe ich eigentlich zu verlieren, wenn ich ehrlich bin? Und wenn die anderen es auch sind? Bestätigt sich da nicht der Satz von Paulus aus der Bibel in Röm 3,23: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen ?

Ist so ein Modell, sich gegenseitig Rechenschaft zu geben, auch heute praktikabel? Eindeutige Antwort: „JA“. In einem „Wachstumshauskreis“ wurde das erfolgreich in unsere Zeit adaptiert. Wir machen Mut, dieses Modell einmal auszuprobieren oder auf andere Weise diesen Mut zur Aufrichtigkeit zu trainieren – etwa bei den Zoomtreffen (wo man etwas von sich sagen kann, aber keinesfalls muss) nach den im Internet angebotenen „Antwortgottesdiensten“.

„Der Gedanke der Offenheit wurde für die Methodisten zu einer fixen Idee und sie legten größten Wert darauf, miteinander „frei“ zu sein und sich die Ansichten anderer über ihre Fehler und Irrtümer anzuhören.“

Tomkins: Wesley; Christliches Verlagshaus 2003, S. 76

Fragen in Hauskreisen vor etwa 270 Jahren

Dr. Friedemann Burkhardt gibt und lebendige Kirchengeschichte im Büchlein „Wie Wasser in der Wüste. Geistlich wachsen mit den Lebensregeln John Wesleys“ ( Edition Anker 2001) mit auf den Weg. Darin finden wir die folgende Beschreibung:

Voraussetzung für die Aufnahme in eine Bande waren eine ganze Reihe Fragen, die positiv beantwortet werden mussten. Sie betrafen das geistliche Leben des Kandidaten, aber auch die Bereitschaft, sich der Gruppe ganz zu öffnen und die Gewissenserforschung durch sie zuzulassen:

„Hast du Vergebung deiner Sünden?
Hast du Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus?
Hat Gottes Geist deinem Geist bezeugt, dass du ein Kind Gottes bist?
Ist die Liebe Gottes ausgegossen in dein Herz?

Hat keine Sünde, innerlich oder äußerlich, Herrschaft über dich?
Wünschst du, dass man dir deine Fehler/Sünden sagt?
Wünschst du, dass man dir alle deine Fehler/Sünden sagt und das klar und gründlich?
Wünschst du, dass jeder aus der Gruppe dir von Zeit zu Zeit sagen sollte was auch immer er über dich in seinem Herzen trägt?
Bedenke!
Wünschst du, dass die Gruppe dir sagt, was immer sie über dich denkt, fürchtet oder hört?
Wünschst du, dass man sich bei all dem so nahe wie möglich kommt, dass man dir ins Fleisch schneidet und dein Herz auf den Grund erforscht?
Ist es dein Wunsch und deine Absicht, bei dieser und allen anderen Anlässen völlig offen alles auszusprechen, was in deinem Herzen ist ohne Ausnahme, ohne Verstellung und ohne Vorbehalt?

Jeder der genannten Punkte sollte so oft es erforderlich war, ins Gespräch gebracht werden, während die folgenden fünf Punkte bei jedem Treffen anzusprechen waren:

Welche bewussten Sünden hast du begangen seit dem letzten Treffen?
Welche Versuchungen haben dich heimgesucht?
Wie wurdest du (davon) befreit?
Was hast du gedacht, gesagt oder getan, von dem du im Zweifel bist, ob es Sünde ist oder nicht?

Hast du nichts, das du zu verschweigen wünschst?

An Aktualität nichts eingebüßt

Auch in dem sehr aktuellen Buch „Die Welt überraschen“ ist die Rechenschaft ein wichtiges Instrument, um Gewohnheiten unserer Persönlichkeit zu entwickeln. Interessanterweise belegt Autor Michael Frost den letzten Buchstaben des Wortes S-E-G-E-N mit dem Wort „Notizen„. Und diese Notizen sind ein scharfes Werkzeug für persönliche Rechenschaft. Dazu schreibt er:

Wer notiert, auf welche unzähligen Arten er oder sie in das eigene Umfeld gesandt wurde, wird sich selbst immer stärker als gesandt empfinden (S.27) … Man trägt heute Fitnessarmbänder, die Schritte zählen, Schlafmuster aufzeichnen und die Kalorienzufuhr messen. Anschließend synchronisiert man sie mit dem Smartphone oder Computer, um zu sehen, welche Fortschritte man gemacht hat. So gesehen ist auch das eine Form von Tagebuch, weil damit Entwicklungen festgehalten werden. Ein solches Armband definiert uns in einem Punkt: nämlich als eine Person, der es wichtig ist, fit zu sein.
Ganz ähnlich ist es, wenn wir Tagebuch führen und festhalten, wie wir Gottes Wirken in der Welt widerspiegeln. Es prägt unser Selbstverständnis. Sie werden merken, dass Sie sich immer mehr als Missionarin oder Missionar betrachten, als Gesandter oder Gesandte. Sie werden sich Ihr Leben ansehen und sich fragen, wie sich Ihr Verhalten ändert und das Tagebuch wird auf kreative und hilfreiche Weise dazu beitragen. Das ist der Kern dieser fünften Gewohnheit. (S.76)

Es ist interessieren Sie die anderen vier Buchstaben von S-E-G-E-N? Dazu seien hier wenigstens die Stichworte verraten: Segnen – Essen – Gott hören – Entdecken (von Jesu Wesen).

Schreiben Sie uns eine Nachricht