GB-Mitglieder aus dem Schwarzwald haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass immer wieder auch von katholischer Seite wertvolle Impulse kommen, die helfen, Bewährtes mutig zu bewahren. Und sie haben gleich einen Artikel mitgeschickt von Pfarrer Dr. Richard Kocher, dem Programmdirektor von Radio Horeb. Mit freundlicher Genehmigung des Senders geben wir hier einen Auszug aus seinem Editorial in der Programmzeitschrift vom September 2024 weiter.
Ich hörte ihr Kommen, denn ich war früher als sonst aufgewacht; es war nicht laut, aber kraftvoll und zerstörerisch. Die Rede ist vom Lawinenabgang in Balderschwang vom 14.01.2019. Er richtete zwar erheblichen Sachschaden an, war aber bei weitem nicht so schlimm wie jener vor 70 Jahren im Januar 1954. Damals gab es in Vorarlberg 125 Tote, über 600 Gebäude wurden zerstört, auch Balderschwang war von einem Lawinenabgang betroffen. In unserer Pfarrkirche St. Anton lag meterhoch Schutt, Geröll, Schnee und zerbrochenes Glas. Die Menschen hier haben die Botschaft verstanden und einen Schutzwald, Bannwald genannt, angelegt (der freilich noch mehr ausgebaut hätte werden müssen). Von ihm hängen Leben und Tod, Glück und Unglück im Tal ab. Vielerorts hat man diesen vor dem Unglück im Jahr 1954 herunter- geschlagen; seine Aufforstung gelingt in Lawinenstrichen nur schwer oder gar nicht. Bannwälder sind heute streng geschützt.
Der frühere Bischof von Innsbruck, Dr. Reinhold Stecher, hat in seinem Klassiker ,,Botschaft der Berge“ den Bannwald in seiner beschützenden Funktion zum Anlass genommen, uns Fragen zu unseren Werten zu stellen: ,,Aber wie ist es eigentlich mit jenen Bannwäldern der Gesellschaft, den Wächtern des Ethos über ein menschenwürdiges Leben? Sind sie in den letzten Jahrzehnten nicht munter in die Steilhänge gezogen, die Holzfällertrupps mit dem fort- schrittlichen Image der Tabubrecher und Moralverächter? Haben sie nicht mit den Motorsägen des angeblich aufgeklär- ten Intellekts die Bannwälder der tragenden Werte herunter- geholzt? Haben sie nicht über die Wettertannen gelacht, über die Weisheit uralter Gebote und Menschheitserfahrungen? Vielleicht erkennt man, wie dumm es ist, oben abzuholzen und unten über die Lawinenkegel zu jammern.
Besonders im Bereich der Sexualethik wurde ein Tabu nach dem anderen gebrochen. Manches war sinnvoll, wenn es um Prüderie und Heuchelei ging, aber vieles war auch sehr zerstörerisch. In der Genesis wird die Erschaffung des Menschen, näherhin seine Sexualität, verstanden als Ergänzungsbedürftigkeit von Mann und Frau, als sehr gut“ qualifiziert (Gen 1,31). Sie zu ignorieren heißt, den Weg der Zerstörung zu gehen. Früher machte man sich darüber lustig, wenn jemand meinte, Gott für die Begründung von Moral zu brauchen.
Fakt ist aber, so Jonathan van Maren in einem Blogbeitrag auf LifeSite News, dass wir, kaum dass zwei Generationen der großen Säkularisierung ins Land gezogen sind, nicht einmal in der Lage sind, Mann und Frau voneinander zu unterscheiden. In einer säkularisierten Gesellschaft leben die Menschen unter einem leeren Himmel, unter dem es keine tragfähige moralische Grundlage mehr gibt. Man glaubt eher daran, wiederverwertet zu werden als aufzuerstehen.
Im November wird in unserem Land das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft treten. Danach soll jeder einmal pro Jahr sein Geschlecht wechseln können. Der neue Geschlechtseintrag ist nicht mehr wie bisher an hohe rechtliche und medizini- sche Standards gebunden. Jugendliche ab 14 Jahren (mitten in den Wirren der Pubertät!) sollen diese Änderung selbst vornehmen können. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so,, ersetzt das Familiengericht die Zustimmung“. Es geht also um eine völlige Verabschiedung von den biologischen Grundgegebenheiten des Menschen. Geschlecht sei das, was man gerade empfindet. Es ist vorherzusehen, dass dies auch operative Geschlechtsumwandlungen zur Folge haben wird, wie sie den Jugendlichen bereits im Internet in vielen Videos angepriesen werden. Fundierte Kritik vieler Fachleute wurde mit billigen und lächerlichen Argumenten zurückgewiesen.
Dr. Kocher stellt diese Art des „Wirtschaftens“ mit unseren familienethischen Ressourcen in einen Zusammenhang mit dem Einsatz von Christen – generell für durchdachten Umgang mit der Schöpfung:
Durch unsere Art des Wirtschaftens und unseren Konsumstil sind wir auf dem besten Weg, unsere Schöpfung zu zerstören. … Das hebräische Wort für Regenbogen und Kampfbogen ist dasselbe. Der renommierte Alttestamentler Erich Zenger (1939-2010) deutete den Regenbogen als Kampfbogen Jahwes (ähnlich wie bei den Pharaonen, die fast immer mit diesem dargestellt wurden) und somit als Zeichen göttlicher Mächtigkeit, Störungen abzuwehren und das Leben zu sichern“. Als Bundeszeichen ist er ein Symbol für die Königsherrschaft Gottes, der sich die Verfügungsgewalt über seine Erde nicht aus der Hand nehmen lassen will“.
Die ökologisch- theologischen Folgerungen, in denen der deutlich warnende Ton unverkennbar ist, formuliert Zenger so:, ,Menschen, die die Erde als ,Lebenshaus‘ zerstören, verfehlen ihr Menschsein. Eine Menschheit, die die Erde als Material ihrer Bedürfnisbefriedigung betrachtet, die die Tiere als rechtlose Kreaturen benutzt, die das Machbare zum Maßstab ihrer Entscheidungen macht (und erst danach über die Moral des Gemachten nachdenkt), die Waffen produziert, die das Biotop Erde grundsätzlich zerstören können – eine solche Menschheit handelt schöpfungswidrig und schickt sich daran, wie ,alles Fleisch‘ zu werden, von d dem Gen 6,12 redet. Bei der angegebenen Stelle heißt es, dass die Erde verdorben war, denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde lebten verdorben“. Der Beitrag der Kirche zu einem Umdenken hinsichtlich unseres Umgangs mit der Schöpfung ist enorm wichtig, ja lebensnotwendig in diesem Kontext.