Wir als Christen können in dem neuen Selbstbestimmungsgesetz allgemein eine Menge Probleme sehen. Aber wie verhalte ich mich gegenüber einem Menschen, der mir nahe steht und mir plötzlich sagt: Ich bin nun nicht mehr der Charly, sondern die Charly? Wie gehe ich mit dieser Situation um?
Eine kniffelige Frage von den ersten Christen kann uns hier vielleicht zur Hilfe werden:
In diesem Fall ging es darum, wie die jungen, begeisterten Jesus-Nachfolger mit Leuten umgehen sollen, die trotz besseren Wissens immer noch Speisegebote aus dem Alten Bund für sich befolgen.
Paulus hat uns aus diesem historischen Zusammenhang heraus auch für unsere aktuellen Fragen seine höchste Priorität mitgegeben:
Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette. 1Kor 9,22
Die Rettung des „Schwachen“ ins Christenleben hinein ist die Kompassnadel und gibt die Richtung für konkrete Beurteilung der Situation. Im Konflikt um die „Schwachen“, die immer noch nicht frei sind von den Speisevorschriften, schreibt er am Ende der Passage 1.Kor 8:7-13:
Wenn darum eine Speise meinem Bruder zum Anstoß wird, will ich bis in Ewigkeit kein Fleisch mehr essen, um meinem Bruder keinen Anstoß zu geben.
Ganz konkret liegt Paulus mit anderen zu Tische, die kein verbotenes Fleisch essen – und er verzichtet aus Liebe und Achtsamkeit („keinen Anstoß geben“) selbst auf den duftenden Braten von der Frau des Hauses. Warum? Weil es ihm wichtiger ist, dass nicht das Essen zum Thema wird, sondern Christus. Weil es ihm wichtiger ist, mit dem anderen eine gute Beziehung zu haben, damit nicht die Befremdlichkeit siegt und damit die Beziehung gefährdet wird, sondern dass der andere über Paulus Heimat bei Christus finden kann.
Paulus sieht also sehr genau sein Gegenüber an und überlegt, wägt ab, was er wie sagt und tut. Er verurteilt nicht vorschnell die anderen in die Schublade „Gestriger Gesetzestyp“ hinein, sondern schaut auf das Herz seines Mitmenschen. Ebenso versucht er offenbar, seine eigenen Leidenschaften und impulsive Gefühle zurückzuhalten – und auch die Angst, bei anderen anzuecken, wenn er über diese Leidenschaften schreibt:
Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst. Phil 2,3
Einmal ganz ehrlich: Bin ich bereit, diesen Paulus – Weg zu gehen, wenn aus dem Charly die Charly wird? Oder explodieren in mir Gedanken und vielleicht auch Worte, die mit dem harten Urteil für mein Gegenüber beschließen: „Das darf doch auf keinen Fall sein?“
Wenn wir, wie Paulus einst, bei Tisch zusammen sind, und es kommt diese plötzliche Transgender-Aussage von Charly – dann brauchen wir diese beiden Blicke der Besonnenheit: Wie kann ich ihn für Christus gewinnen? Wie steht es um sein Herz, was geht in ihm vor?
Das heißt auch, zu überlegen: Ist es eine Modeerscheinung, dass Charly den Geschlechtseintrag ändern lassen möchte? Oder: Ist es bei Charly vielleicht die große Ausnahme, dass es tatsächlich biologisch so angelegt war? Oder: Welche Not will Charly durch die Trans-Aktion in der Seele lindern?
Und wenn er mich dann bittet, ab morgen „die Charly“ zu mir zu sagen? – Für mich ist es eine Lüge, es stimmt einfach nicht. Aber kann es sein, dass ich um des „Gewinnens“, um der Liebe und des Familienfriedens willen mir dann doch angewöhne, sie zu fragen, ob sie noch etwas Hunger hat? Und Charly gleichermaßen ehrlich deutlich weiterzugeben: „Ich gehe auf Deinen Wunsch ein, auch wenn ich es persönlich anders sehe.“
Das scheint mir der Weg des Paulus zu sein, den Gott uns in der Schrift hier ziemlich deutlich vorlegt.
Allerdings sollte wir auch eine andere Facette von Paulus nicht außen vor lassen:
Unsere biblischen Vorlagen, besonders oben in 1.Kor 8, beschreiben den Umgang mit einzelnen Menschen, mit unserem konkreten Gegenüber. Das muss und sollte nicht meine ganze Sprache verändern, wenn ich allgemein über Selbstbestimmungsgesetz und Schnelltransition rede. Meine generelle persönliche Wahrheit: „Das Geschlecht wird biologisch durch Gott bestimmt“ muss ich nicht wegen meines Familienmitglieds Charly verleugnen.
Denn; Was diese allgemeine Lehre betrifft – da geht Paulus in einer anderen Weise achtsam vor: Ich soll auf das Wort Christi achten und dies sorgfältig zum Maßstab machen. Legen wir uns noch einmal mit ihm zu Tische und beobachten eine andere Situation, in der er etwas Unanständiges essen soll. Dabei gibt er einen guten Ratschlag: „Doch wenn euch jemand warnt, dass dieses Fleisch den Götzen dargebracht wurde, dann esst es nicht „(1.Kor 10,28). Das heißt: Hier wurde vom Gegenüber mein Eingeständnis eingefordert: „Klar, esse ich dieses Fleisch.“ Sonst hätte der Gastgeber das nicht so betont. Ergo: So sehr wie Paulus dafür wirbt, meinen Nächsten und dessen Befindlichkeit zu sehen – genauso macht er hier deutlich: Ich muss nicht aus Solidarität seiner Meinung beipflichten (indem ich esse), sondern darf kundtun: Meine Wahrheit ist eine andere.
Zum Umgang mit dem neuen Gesetz im Allgemeinen ist HIER noch mehr zu lesen.
Pastor Steffen Klug.
3 Kommentare zu „Transgender: „Und wenn es meine Familie betrifft?““
Auf dieses Thema hin hatte ich diese Bibelstelle noch garnicht gesehen. Ich denke auch, dass sie genau so gemeint ist. Danke für diese Erkenntnis.
Wenn es ein/e gute/r Bekannte/r oder Freund/in ist, ist es wahrscheinlich leichter, es so zu sehen und liebevoll u demütig mit meinem Nächsten umzugehen. Für mich stellt es eine Herausforderung dar, wenn es um ein eigenes Kind geht und man in der ‚Erziehungsverantwortung‘ steht. Da ist die Liebe und Annahme für die ganze Familie notwendig.
Eine Frage:
Nach all diesen Statements, die hier gegen das Selbstbestimmungsgesetz abgegeben werden, wie soll da ein Transmensch dad Gefühl haben, von Ihnen und dem Gemeinschaftsbund als Person und als Christ angenommen zu werden.
Wie wollen Sie und der GB einen Transmenschen annehmen und gleichzeitig seine Identität in Frage stellen?
Wie soll ein Gespräch und ein konstruktiver Austausch stattfinden, wenn nur Ihre Wahrheit zählt?
Haben Sie überhaupt Erfahrung zum Thema oder reden und urteilen Sie nur darüber? Denn eine Person wird nicht über Nacht von „der Charly“ zu „dem Charly“.
Aus allen Ihren Statements lese ich nur ein Urteilen und Schubladieren von Transmenschen raus. Wahrlich keine Einladung zu einem Austausch. Denn dazu gehört ehrliches Interesse und Offenheit!
Hallo Nonni,
danke für die Zuschrift.
Es ist so, dass es für mich keine Frage gibt, einen Transmenschen als Person und Christ anzunehmen. Das beinhaltet Gespräch, Austausch, Gebet. Das wird auch geschehen, wenn ich ggf. die soziale geschlechtliche Identität in Frage stelle, weil ich für mich die Identität an der Biologie festmache. Da gibt es möglicherweise einen Dissens, aber trotzdem ist und bleibt der Mensch angenommen und wert geschätzt – Schwester und Bruder. Ich hoffe, dass Sie den folgenden Artikel auch so verstehen können.:
https://gemeinschaftsbund.de/2024/11/06/transgender-und-wenn-es-meine-familie-betrifft/
Was die „schnelle“ Transition betrifft, hoffe ich, dass Sie die Intention der Schreibe wahrgenommen haben: Es geht nicht darum, Transmenschen zu belasten, sondern die Möglichkeit zu kritisieren , schnell per Unterschrift das Geschlecht zu wechseln. Bislang ging eine Transition ja auch schon – das SBG senkt aber hierfür die Hürden, so dass nicht so gründlich bedachte Entscheidungen gravierende Folgen für das Leben haben können. Das ist eine ganz andere Situation von sich jahrelang entwickelten Identitätswechseln, wie Sie sie mit „nicht über Nacht“ beschreiben.
Freundliche Grüße – Steffen Klug.