Selbstbestimmungsgesetz: Neue Wahrheiten und wie Christen damit umgehen können

Seit dem 1.11.2024 ist das „Selbstbestimmungsgesetz“ in Kraft. Neben einer ganzen Reihe ethischer Fragen (siehe Statement des GB vom Frühjahr) stellt sich die Frage, ob mit diesem 1.11. 24 in Deutschland nicht eine Zeitenwende eingetreten ist: Erstmals in der jüngeren Geschichte dürfen wir nicht mehr nach unserer Gewissenslage „unsere“ Wahrheit bestimmen, sondern müssen die staatlich vorgegebene Sicht übernehmen. Um es an einem sehr simplen Beispiel zu illustrieren: Wenn mein Kumpel Dale morgen sagt, er sei nun die Frau Daliah, dann habe ich ihn mit Daliah anzusprechen, ihn als Frau zu behandeln und in weiblichen Formen über ihn zu sprechen. [Sorry, eigentlich müsste ich hier schon „über sie“ schreiben.] Ganz egal, was mein Herz und mein Verstand sagen. Diese neue Wahrheits-Verordnung heißt „Offenbarungsverbot“ (Ich komme unten auf diesen Begriff zu sprechen).

Ich möchte diesen neuen Umstand hier biblisch beleuchten – jede(r) ist eingeladen, darüber in der Kommentarfunktion zu diskutieren. Wir können dabei nur weiser werden. 

Ein Beispiel aus dem Alten Testament

Die geistliche Dimension dieser Frage lässt sich an biblischen Beispielen nachvollziehen. Eines sei hier genannt – basierend auf Daniel 6,11. Dort lesen wir: „In seinem Obergemach waren die Fenster nach Jerusalem hin offen. Dort kniete er dreimal am Tag nieder und richtete sein Gebet und seinen Lobpreis an seinen Gott, ganz so, wie er es gewohnt war.“ – Das war seine Gepflogenheit, seine Herzensangelegenheit, seine Wahrheit. Für ihn war klar, dass sein Gott der wahre Herrscher der Welt ist: Dieser mein „Gott des Himmels wird ein Reich aufrichten.“ (2,44). Mit dieser Wahrheit hat er gelebt – und überlebt.

Dann aber hat der Staat plötzlich (übrigens aus sehr merkwürdigen Beweggründen – siehe 6,5-8) eine neue Wahrheit definiert: Es darf nur noch einen Gott im Universum geben, nämlich den König Darius – und damit sollte das Gebet Daniels zu seinem Gott unterbunden werden.  Daniel wurde bestraft.

Wie wird es Daniel und allen anderen Menschen, die eine andere Wahrheit im Herzen hatten, gegangen sein, als sie vernahmen: Die Regierung definiert jetzt die Wahrheit – und bestraft alle, die es anders sehen? Es muss ihnen den Magen umgedreht haben ob dieser erdrückenden Macht, Bevormundung –  und der vor ihnen stehenden Strafe mit dem Tod durch Raubtier. Wie viele solche Daniels wird es damals in dem Reich gegeben haben?

Unsere neue Situation

Nun stellt sich mir seit dem 1.November der gesetzliche Rahmen bei uns folgendermaßen dar: Von mir wird erwartet, dass ich etwas anderes sage, als ich denke. Ich bin verpflichtet, das neue selbst bestimmte Geschlecht einer Person so zu benennen, wie es nun eingetragen wurde – mit den Konsequenzen, dass ich bei den Pronomen „sie“ oder „er“ und allen anderen Worten aufpassen muss, nicht in das „natürliche“ Geschlecht zu geraten. Dieses Wort „natürlich“ ist für mich eine Kombination aus genetischem Geschlecht und der Erfahrung im Umgang mit der Person.
Das heißt: Wenn ich für mich das Geschlecht biologisch deute, dann darf ich diese Meinung nicht mehr haben, weil mir die soziale Definition des Geschlechtes vorgeschrieben wird. Damit wird eine übergroße Mehrheit der Menschen gezwungen, diese soziale Definition genau anzuwenden. Auch dann, wenn sie der Überzeugung sind: Gott hat doch mein Gegenüber als Frau (oder Mann) geschaffen.

Sind wir bei diesem Redeverbot nicht in einer neuen Phase unserer Gesellschaft angekommen: Der Staat gibt vor, wie ich mich zu äußern habe, ohne dass ich etwas (bislang) Strafbares sage? Er schreibt mir vor, dass ich in diesem Falle nicht biologisch-wissenschaftlich zu denken habe, sondern die soziale, individuelle, gefühlsmäßige Sicht eines Menschen zählt? Was ist aus meiner Denk- und Gewissensfreiheit geworden?

Drei Probleme mit der neuen Wahrheit

1. Kommen wir zurück zur Bibel. Dort werde ich mehrfach aufgefordert, die Wahrheit zu sagen. Und das ist für mich die Wahrheit, die ich im Zusammenspiel mit der Schrift,  dem Reden des Geistes, der Geschichte und meiner Erfahrung für mich erkannt habe. Das führt mich in ein echtes Dilemma: Spreche ich eine bisherige Sie nun als Mann an, weiß ich eigentlich (nach meiner Wahrheitsdefinition), dass dies eine Lüge ist? Wie soll das gehen?
Wenn die Bibel von den beiden Geschlechtern spricht, die in den allermeisten Fällen eindeutig genetisch angelegt sind, dann ist es meine Aufgabe, der biblischen Wahrheit zu folgen. Jüngst sagte Theo Lehmann in DIESEM sehenswerten Interview – rückblickend auf sein Leben in mutiger Kritik am Staat: „Der Bibeltext hat mich dazu gezwungen, die Wahrheit zu sagen.

2. Zudem mache ich mir Gedanken, dass hier massiv in die Schöpfung eingegriffen wird und so eigentlich der Mensch zum Schöpfer gemacht wird. Die alte Geschichte vom Turmbau zu Babel (1.Mose 11,6) leuchtet hier bei mir auf. Denn: Wenn ein neues Geschlecht entsteht, dann beschreibt das doch auch eine neue Persönlichkeit – oder nicht (viel mehr als Beruf, Partnerschaft und Gesundheit macht das Geschlecht mein Menschsein aus). Auch deshalb kommt es mir schwer über die Lippen: ich bediene damit eine Idee der Selbstüberhebung des Menschen, nämlich die wichtigste Identität im Leben durch einen einzigen Verwaltungsakt eben einmal zu ändern. Ein Verwaltungsakt steht über dem Schöpfungsakt.

3. Ein Drittes hält mich davon ab, den schnellen Geschlechtswechsel durch braves, unreflektiertes Mitreden der richtigen Anrede zu unterstützen: Ich halte aus Gründen des Kinder- und Familienschutzes ein Schnell-Transgendern nach dem jetzigen Gesetz für absolut unverantwortbar. Hinzu kommen eine Menge von Kollateralgefahren – wenn man z.B. an die Möglichkeit denkt, dass Eltern mit ihrem Kind ab dem 6.Lebensjahr einen Geschlechtswechsel veranlassen können, weil ihnen das aus irgendwelchen Gründen sinnvoll erscheint. Jesus ist schließlich sehr um das Wohl von Kindern besorgt, so dass er sie trotz aller Vorbehalte von Erwachsenen sogar ausdrücklich segnete (siehe Kapitel Mt 19).

Impulse aus dem Neuen Testament zum Verhalten gegenüber Gesetzen

In der Summe steht hier die Frage, ob ich mich als Christ dem Staat in dieser Frage beugen muss.
* Richte ich mich nach Paulus, der mir ansagt, mich der staatlichen Gewalt unterzuordnen (Röm 13,1)?
* Oder bin ich beim Jesuswort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Mk 12,17)? Ist das Geschlecht vom Kaiser oder von Gott? Wer hat in diesem Bereich das Sagen?
* Wie halte ich es mit dem Authentizitätsgebot in meiner Rede – auch gegenüber der staatlichen Ordnung: „Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)?

Es scheint so zu sein, dass dieses Selbstbestimmungsgesetz samt dem geschilderten „Offenbarungsverbot“ (ich darf das frühere Geschlecht nicht offenbaren – siehe Gesetzestext unten) eine Schallmauer durchbricht – nämlich dass Gedanken nicht mehr frei gesagt werden dürfen und eigentlich auch nicht mehr gedacht werden sollen. Haben wir hier das erste Gesetz, das später in den Geschichtsbüchern als Einschnitt in die Meinungs- und Gewissensfreiheit beschrieben werden wird? Und damit haben wir Christen eine ernsthafte Probe im vereinten Deutschland, wie stark wir durchhalten, unsere und die nach unserem biblischen Befinden richtige Wahrheit auszusprechen: „Als Mann und Frau schuf er sie.“
Dies ist eine echte Herausforderung. Sind wir gerufen, hier achtsame Gegenkultur zu leben, indem wir als Christen wirklich sagen, was wir denken? Was mir jedoch in dieser nicht einfachen Aufgabe Hoffnung gibt: Der Gott Daniels ist auch in dieser Hinsicht immer noch derselbe wie damals und steht auf seine Weise bei.

Noch ein sehr wichtiger Hinweis zum Schluss: Dieser Beitrag beschreibt ein gesellschaftliches Phänomen und nicht den Umgang mit dem einzelnen Transgender-Menschen. Dazu gibt es HIER einen weiteren Beitrag.

Rechtlicher Hintergrund aus dem Selbstbestimmungsgesetz:

§ 13 Offenbarungsverbot:  (1) Sind Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person … geändert worden, so dürfen die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden.

§ 14 Bußgeldvorschriften: (1) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 13 Absatz 1 Satz 1 die Geschlechtszugehörigkeit oder einen Vornamen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

Hinweis: Die „absichtliche“ Schädigung ist sicher immer nur subjektiv vom Betroffenen zu beurteilen. Wenn ich es auch in keinster Weise böse meine, aber er/sie das so auffasst – dann wird das sicher auch so gelten.

Aktueller Medientipp zum Thema „Christ und Staat“

Pastor Klaus UIrich Ruof hat in der jüngsten „EmK-Infopost“ auf wertvolle Filme im Internet hingewiesen (einer ist auch der oben genannte Film mit Theo Lehmann). Er schreibt am 2.11.2024: „Vor kurzem fiel mein Interesse auf eine im Internet veröffentlichte Zeitzeugen-Dokumentation unter der Überschrift »Glaube, Mut und Freiheit in der DDR und danach – Wie Gott uns ermutigt, geleitet und bewahrt hat«. … Vielleicht wäre manches in Politik und Gesellschaft heute anders, wenn die Lebensleistung von Menschen im ehemaligen Osten Deutschlands mehr Anerkennung erfahren hätte. Hier sind die 15-Minuten-Videos zu finden (frei verfügbar bis 6. Januar 2025): www.glaube-mut-freiheit-ddr.de.“

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