„Name über alle Namen: JESUS!“ Mit diesen Worten beginnt ein Lied aus den Sechzigern.
Was nicht heißt, daß dieser Name so einmalig wäre wie der Name „Kain“. Im Gegenteil: In der griechischen Bibel wird Josua, der Nachfolger des Mose, mit „Jesus“ wiedergegeben, ebenso in Hebräer 4,8. Im Buch des Propheten Sacharja lesen wir von einem Hohenpriester Josua, der im Griechischen ebenfalls als „Jesus“ erscheint. Der Apostel Paulus erwähnt gegenüber den
Kolossern einen „Jesus, genannt Justus“ <4,11>. Doch es gibt auch außerbiblische Belege dafür, dass der Name Jesus im Volk
Israel durchaus gebräuchlich gewesen ist. Der jüdische Historiker Flavius Josephus <31 – 100> nennt in seinem „Jüdischen Krieg“ mindestens vier Träger dieses Namens:
Jesus Sohn des Sappha,
Jesus Sohn des Tupha,
Jesus Sohn des Thebuthi und
Jesus Sohn des Ananus.
Wobei der zuletzt Genannte der Merkwürdigste gewesen sein dürfte: vier Jahre vor Kriegsausbruch anlässlich des Laubhütten-
festes im Jahre 62 – Jerusalem liegt im Frieden – tritt er unvermittelt in der heiligen Stadt auf, um fortan nichts weiter als sein „Wehe über Jerusalem!“ zu verkünden.
In katholisch-romanischen Ländern kommt der Name Jesus übrigens noch heute vor.
Dennoch ragt der Jesus von Nazareth über alle seine Namensvettern weit hinaus – und das hat einen triftigen Grund::
Nur er, der Sohn der Mirjam <Markus 6,3> ist auch das, was sein Name besagt:
Alle anderen Träger dieses Namens hießen zwar Jesus, aber sie waren es nicht; und wenn heute noch Männer so heißen, dann sind sie es nicht.
Warum? Der Name Jesus bedeutet Retter / Helfer. Von dem Hohenpriester Josua-Jesus lesen wir in Sach. 3, 2, er habe unreine
Kleider getragen, als er vor dem Engel des HErrn stand. Der von Josephus erwähnte Jesus ben Tupha war Anführer einer Räuberbande und Jesus ben Thebuthi hat den römischen Belagerern massivgoldene Tempelgeräte, die Tempelvorhänge sowie den Ornat des Hohenpriesters ausgeliefert.
Alle drei Beispiele offenbaren die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen der Bedeutung des Namens und seines Trägers. Und wer heute den Vornamen Jesus führt, ist – wie Beispiele zeigen – auch nicht dagegen gefeit, straffällig zu werden.
Anders der Name des Nazareners.
Der Name bürgt für Qualität. Der Name hält, was er verspricht. Bei dem Mann aus Galiläa sind Name und Wesen deckungsgleich. Durch Engelmund war Joseph, der Verlobte Marias, im Traum angewiesen worden, den Mariensohn Jesus zu nennen. Begründung: „Er wird sein Volk retten von ihren Sünden“ <Matthäus 1,21>.
Nur in der hebräischen Rückübersetzung des griechischen NT wird diese Argumentation verständlich. Das griech. „Jäsous“ entspricht dem hebräischen. „Jeschua“.
„Jeschua“ aber ist abgeleitet von dem Tätigkeitswort „jascha“ – helfen retten. „Du sollst ihn RETTER nennen; denn er wird sein Volk RETTEN von ihren Sünden.“ Zum Retter, zum Sünderheiland aber ist er geworden durch seinen Sühnetod am Kreuz.
Zwei Choraldichter haben diese Kongruenz von Anspruch und Wirksamkeit zum Ausdruck gebracht.
Der Norddeutsche Lorenz Lorenzen <1660-1722> in seinem Lied „Ich komm zu dir in wahrer Reu“. Die vierte Strophe endet mit dem Vers: „Du heißt und bist ja Jesus.“ Bündiger läßt sich die Einzigartigkeit des Namens über alle Namen nicht in Worte fassen. Der Schlesier Johann Heermann <1585 – 1647> läßt die sechste Strophe seines Liedes „Treuer Wächter Israel“ mit der Bitte beginnen: „Jesus, der du Jesus heißt, als ein Jesus Hilfe leist…“
Was den Nazarener vor allen anderen Trägern des Jesus-Namens zusätzlich
auszeichnet, ist aber noch etwas anderes. Der Christushymnus in Philipper 2, 5-11 spricht davon:
Weil Jesus gehorsam war bis zum Tode am Kreuz, „hat ihm Gott den Namen gegeben, der über alle Namen ist“. Das heißt zwar
nicht, daß mit seiner Auferweckung eine Namens-Änderung verbunden gewesen wäre. Wohl aber steht seit dem Auferstehungsmorgen und der Erhöhung des Erniedrigten hinter seinem Namen die Allmacht Gottes und seine Allgegenwart
in Raum und Zeit.
Der Name des gekreuzigten Jesus stand für Ohnmacht, der Name des toten Jesus war gleichbedeutend mit absoluter Hilflosigkeit. Aber der Name des Auferstandenen ist identisch mit Macht, unbegrenzter Macht. Der Name des Kyrios Jesus steht für Gott selber.
Das aber läßt sich von keinem anderen sagen. Selbst dann nicht, wenn er sich einen Namen gemacht hat als Politiker oder
Wirtschaftsboß, Konzernchef oder Militärstratege, Wissenschaftler, Künstler, Spitzensportler oder gar Religionsstifter.
Manche Namen, heute noch in aller Munde, können morgen schon der Vergessenheit anheimfallen. Vor jeder Neuauflage eines Lexikons werden so und so viele Namen ausgeschieden. Der Grund dafür: Sie haben ihre Bedeutung verloren, und interessieren niemand mehr. Und geben wir uns keiner Täuschung hin:
Auch unser werter Name, der von uns jetzt noch so wichtig genommen wird, ist in spätestens drei Generationen „vom Winde verweht“. Doch als Kinder Gottes können wir auf das „ehrende Andenken“ kommender Geschlechter verzichten. Nicht jedoch verzichten können wir darauf, zu denen zu gehören, deren „Namen im Himmel geschrieben sind“ <Lukas 10, 20>. Darauf kommt es allerdings an, daß unser Name sich
findet im Buch der von Gott Begnadigten, „im Lebensbuch des Lammes“ <Offbg. 21, 27>. Dazu ist nötig, daß unser Name jetzt schon genannt wird im Zusammenhang mit dem „Namen über alle Namen“.
Es soll mir eine Ehre sein, den Namen Jesus zu nennen und zu bekennen vor der sichtbaren und unsichtbaren Welt.
Hans Jakob Reimers