Was für ein Gott!
Israel, Februar 2020. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe sächsischer Israelfreunde und eine Handvoll Musiker hatten sich unter der Leitung einer engagierten Kirchenmusikerin aufgemacht, um hauptsächlich Holocaust-Überlebenden an verschiedenen Stellen des Landes von der Liebe Gottes zu singen. Ich, eine ehemalige Musiklehrerin, gehörte dazu. Wir hatten hebräische Texte gebüffelt, wenige deutsche natürlich auch, hatten regelmäßig geprobt. Aber wir blieben, was wir waren: Laien. Was uns einte, war die Liebe zu Gott und seinem Volk, nicht eine gute Stimme oder das musikalische Gespür. Meine auf Musik getrimmten Ohren litten bei jeder Probe, bei jedem Konzert. Meine Tochter, die auch zur Gruppe gehörte, beruhigte mich immer: “Lass nur, Mutti, sie haben Israel lieb.“
Es gab viele wunderbare Erlebnisse im Umfeld unserer Auftritte, beglückende Gespräche, leuchtende Augen. Wir merkten, wie wichtig und richtig unser Dienst ist. Was ich allerdings durchaus nicht verstehen konnte, waren die immer wieder geäußerten Bemerkungen, wie gut doch der Chor singen würde. Ich ärgerte mich darüber, hielt derartige Komplimente für pure Höflichkeit. Aber ich sollte meine Meinung noch ändern.
An einem Abend hatten wir noch ein Konzert zu singen in einem Heim in Netanja. Wir hatten einen anstrengenden Tag hinter uns. Ich war müde und freute mich, dass man uns Getränke und Süßes hingestellt hatte. Nach einem Soundcheck krochen wir in unsere Chorkleidung und versammelten uns zu einer kurzen aber diesmal besonders intensiven Gebetszeit. Wir legten uns und unsere Zuhörer in Gottes Hände. Als es Zeit war, nahmen wir unsere Liedmappen und gingen zum Saal. Alles war wie immer. Noch ahnte ich nicht, dass Gott in seiner Liebe mir eine Lektion erteilen würde.
Wir stellten uns auf und begannen mit dem ersten Titel: „Baruch ata Adonai, Elohejnu, Melech ha Olam!“ (Gepriesen seist Du, Herr, unser Gott, König der Welt!). Eine warme Welle durchströmte mich, wie ich sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Etwas veränderte sich. Der Chor schien nicht mehr zu sein, was er vorher war: Rein und harmonisch klangen die Stimmen. Wie von Flügeln getragen breiteten sie sich aus und füllten den Raum. Mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich konnte es nicht fassen. Bis tief in mein Herz war ich erschüttert: Nicht wir, nicht unser Chor – Gott selbst sang ein Liebeslied für sein Volk, segnete es in diesen Augenblicken durch unseren Gesang…!
Nach dem Konzert sagte einer der Zuhörer: „In dieser wirren Zeit ist euer Gesang wie klares Wasser in der Wüste.“ Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Was für ein Gott!
Ulrike Waldmann, Aue